3. Sonntag der Fastenzeit – Okuli

 Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. (Lukas 9,62)

Der Sonntag Okuli hat seinen Namen vom Psalmvers 25,15: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn; denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.“ In diesem Vers drückt sich die Zuversicht aus, dass Gott trotz gegenwärtiger Leidenserfahrungen dennoch gute Wege mit uns Menschen geht und dass es darum geht, auf diesen Wegen die Hoffnung und das Vertrauen in die Güte Gottes nicht zu verlieren. So ist der Sonntag Okuli gewissermaßen das Pendant zum vorangegangenen Sonntag Reminiszere. Befand sich der Mensch in diesem aber noch in einer Anfechtungssituation um die Güte Gottes, geht es nun um die Zuversicht auf die Güte Gottes, die Herausforderung des Glaubens anzunehmen und sich darauf einzulassen. Der Glaube ist mit der Zuversicht einen Schritt fester und gereifter geworden.

Das Evangelium dieses Sonntages sind die Aussagen Jesu zu den Kosten seiner Nachfolge (Lukas 9,57-62). Wer mir nachfolgt, so Jesus, wird lernen müssen, so wie ich das Kreuz auf sich zu nehmen. Eindringlich warnt er davor, die Kosten der Nachfolge zu unterschätzen. Um dies durchzuhalten, sind vielleicht auch radikale Entscheidungen notwendig. In diesem Zusammenhang warnt Jesus aber auch vor einer zu leichtfertigen jugendlichen Euphorie: Überlegt euch gut, ob ihr mir wirklich nachfolgen wollt?

Heute begegnen uns die Herausforderungen, von denen Jesus spricht, nicht unbedingt in religiöser als vielmehr in politischer Hinsicht. In vielen Ländern, in denen demokratische Rechte wie die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, müssen diejenigen, die dagegen protestieren, genau überlegen, welche Kosten sie bereit sind, für ihr politisches Engagement zu bezahlen. Aber auch für Menschen, die aus einem anderen religiösen oder kulturellen Hintergrund entstammen und sich dem christlichen Glauben zuwenden, kann diese Entscheidung bis heute mit hohen persönlichen Kosten verbunden sein. Die Freiheit der Religion wird nicht in allen Nationen und Kulturen respektiert. Daher gilt es, sich der Zuversicht des eigenen Glaubens gewiss zu werden, bevor dann eine Entscheidung getroffen wird, die einen mehr oder weniger radikalen Bruch mit dem bisherigen Leben bewirken kann. Dabei kann es sein, dass selbst übliche Gepflogenheiten wie die Bestattung naher Angehöriger oder das Abschiednehmen von der Familie nicht mehr möglich sind, weil der oder die zur Nachfolge Entschlossene damit Gefahr läuft, seinen oder ihren Entschluss nicht mehr umsetzen zu können.  

In der Frage der notwendigen Radikalität ist freilich immer auch eine Unterscheidung zu treffen. Denn in fundamentalistischen Kontexten werden radikale Brüche zum bisherigen Lebensumfeld missbraucht, um auf diese Weise eine neue Lebensidentität zu formen. Es wird gewissermaßen ein innerer Druck erzeugt, der zum Bruch mit der bisherigen Umwelt führen soll, um so eine spätere Rückkehr von Menschen in ihr altes Leben von Anfang an zu unterbinden.  Dagegen geht es Jesus darum, seinen Nachfolgern die Kosten der Nachfolge aufgrund äußerer Anfeindungen und Unverständnisse deutlich zu machen. Es geht Jesus darum, radikale Entscheidungen nicht aus Euphorie zu treffen, sondern aus Einsicht in notwendige Realitäten. Die Rückkehr in das alte Leben war den Jüngern und Jüngerinnen Jesu nie verwehrt.

© Oliver Behre, Zörbig  2021