3. Sonntag nach Epiphanias

Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. (Lukas 13,29)

Das Evangelium dieses Sonntages (Matthäus 8,5-13) und dessen Predigttexte erzählen allesamt davon, dass „Gottes Heilswillen … keine Grenzen [kennt], mit denen sich Menschen und Völker bis heute voneinander abgrenzen“ (Perikopenbuch 2018, S. 110a).  So kann als ein Wesensmerkmal des Wirkens Jesu ausgemacht werden, dass er Grenzen überschreitet. Interessant ist hier, dass die Zuwendung Jesu zu den Anderen und den Fremden allerdings offenbar nicht in seiner ursprünglichen Absicht lag. So hat Jesus zu Anfang seines Wirkens besonders betont, dass er nur zu den verlorenen Schafen Israel gesandt ist (Matthäus 15,24). Aber er lässt sich durch Begegnungen mit Fremden und Außenstehenden verändern und öffnet sich somit der gesamten Welt. Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, wie Nächstenliebe „geht“. Sie setzt sich auch dem fremden Nächsten aus, lässt sich berühren und verschließt sich nicht der Not des Anderen. So kommt es dann zur Öffnung und Grenzüberschreitung. Diese Bereitschaft zur Grenzüberschreitung kann dann als ein wesentliches Kriterium für die Unterscheidung des frühen Christentums zum Judentum gesehen werden, aus dem es erwachsen ist. Denken wir hier nur an den Apostel Paulus, der schließlich die theologische Begründung dafür gegeben hat, warum Jesus Christus nicht nur der Messias Israels, sondern vielmehr der Erlöser für alle Welt ist. Somit liegt es auch im Wesen der Herrlichkeit Gottes, dass sie sich nicht als Besitzstand vereinnahmen lässt, sondern dass sie alle und alles umfasst, was in ihre Nähe gerät.

Zur modernen Welt gehört es dagegen, die Welt in Nationen, Besitzstände und Einflusssphären aufzuteilen. So sehr auch die Herausforderungen der Menschheit ein globales Weltbürgertum erfordern, unsere Welt funktioniert immer noch in vielen Bereichen nach einer „Ich-zuerst-Mentalität“! Die Flüchtlingslager am Rande Europas und anderer reicher Staaten, die Verteilungskämpfe um die Ressourcen dieser Welt und die politischen Strategiespiele um Vormacht zeigen, wie weit diese Welt noch entfernt ist von einem Ort, über den die Herrlichkeit Gottes für alle Menschen aufgeht. Stattdessen gehört es mancherorts zur Selbstinszenierung der Macht, sich selbst als „Sonne des Volkes“ zu glorifizieren, wie wir dies von Ludwig dem XIV. kennen. In christlicher Perspektive ist dies als eine Form von Selbstvergötzung und Gotteslästerung zu werten. Im Gegensatz dazu gehört es zum Wesen der christlichen Kirche, sich der Vorläufigkeit der Bedingungen ihrer eigenen Existenz in dieser Zeit bewusst zu sein und sich daher immer neu aus ihrer ökumenischen Verbundenheit mit der weltweiten Christenheit und ihrem globalen Auftrag für diese Welt zu verstehen: „Gehet hin in alle Welt … Und siehe, ich bin bei euch alle Tage.“ (Matthäus 28,19-20). Die Kirche ist nicht in erster Linie Institution und Hierarchie, sondern eine durch den Geist Gottes herausgerufene Gemeinschaft. Unter den Bedingungen ihrer Zeit mag sie eng und begrenzt erscheinen, doch ihr Kennzeichen sollte Öffnung und Weite sein. Sofern sie dabei an das Wort Gottes gebunden bleibt, dem eine universale Verstehbarkeit innewohnt (Apostelgeschichte 2,1-12), braucht niemand Angst haben, dass dies zur Beliebigkeit führen wird.  

Der dritte Sonntag der Epiphaniaszeit erinnert uns daran, uns nicht den Anderen und den Fremden zu verschließen, sondern Kirche als einen Raum zu verstehen, in dem alle Menschen eine Heimat finden dürfen und sollen. Unterschiede und Verschiedenheiten sind dazu eine Bereicherung. Kritisch können wir so unsere eigenen Begrenztheiten hinterfragen und die Sinne dafür schärfen, wo wir mit unseren Eigenarten anderen im Wege stehen, damit auch sie etwas von der Herrlichkeit Gottes spüren und erfahren können.

© Oliver Behre, Zörbig  2021