5. Sonntag der Fastenzeit – Judika

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.  (Matthäus 20,28)

Der Sonntag Judika hat seinen Namen vom lateinischen Anfang des 43. Psalms, der an diesem Tag gebetet wurde und wird: „Schaffe mir Recht, Gott, und führe meine Sache wider das treulose Volk.“ Das Leiden und Sterben Jesu zeigt: Das Leben von uns Menschen ist antastbar. Es ist zwar Aufgabe des Rechts, menschliches Leben zwar davor zu bewahren – deswegen lautet Artikel 1 des Grundgesetzes „die Würde des Menschen ist unantastbar“ – doch wäre dies nicht notwendig, wenn nicht immer neu dagegen verstoßen würde. Somit ist die Erfahrung von Ungerechtigkeit und Leid eine Grunderfahrung menschlichen Lebens.

Die christliche Kirche ist ein Ort, in dem diese Erfahrung artikuliert und geteilt werden darf und soll, weil es zum Kern christlicher Verkündigung geht, dem Leid und der Not in der Welt eine Bedeutung zu geben – einen Bedeutung, der sich daraus ergibt, dass bestimmtes Leid eine dem Menschen von Gott aufgetragene Aufgabe sein kann, die ihre letzte Ursache aber nicht im Willen Gottes, sondern in der Tatsache der Sünde, einer grundsätzlichen Störung aller Lebenszusammenhänge in dieser Welt hat. Warum es zu dieser grundsätzlichen Störung gekommen ist, bleibt ein Geheimnis und lässt sich nur mythologisch mit der Sündenfallerzählung (1.Mose 3) deuten. Allerdings kann diese Störung mit der Hilfe Gottes überwunden werden. Dies liegt aber nicht in der Macht und im Vermögen von uns Menschen, sondern ist etwas, dass sich aus dem stellvertretenden Leiden und Sterben Jesu Christi ereignet. Indem Menschen bereit sind, Jesus auf diesem Weg nachzufolgen, erhalten auch sie Anteil an der letztendlichen Freiheit von Sünde und Tod.

Nicht aus dem Blick geraten sollte auch, dass auch die Kirche selbst Ursache von Leid und Machtmissbrauch werden kann. Darauf verweist das Evangelium für diesen Sonntag (Markus 10,35-45), in dem deutlich betont wird, dass Christsein mit Macht- und Gewaltverzicht und Dienstbereitschaft einhergeht. Die Wahrheit soll in der Kirche nicht mit weltlichen Mitteln, sondern allein auf dem Weg der Liebe umgesetzt werden. Dafür steht das Leiden und Sterben Jesu Christi.

Der Sonntag Judika eignet sich in besonderer Weise dazu, unverschuldetes Leiden zum Thema zu machen und Menschen Gelegenheit zu geben, das, worunter sie zutiefst leiden, vor Gott zu bringen, bzw. für gesellschaftliches Unrecht zu sensibilisieren. 

© Oliver Behre, Zörbig  2021