1.   Sonntag nach Epiphanias

Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder!  (Römer 8,14)

Zum ersten Sonntag der Epiphaniaszeit wird das Evangelium von der Taufe Jesu im Jordan (Matthäus 3,13-17) aufgenommen, das ursprünglich mit dem Epiphaniasfest verbunden war. Die verschiedenen Evangelien akzentuieren dieses Ereignis unterschiedlich. Während sich bei Markus mit der Taufe Jesu der Himmel öffnet, gehen Matthäus und Lukas bei ihrer Deutung des Geschehens noch weiter. Matthäus betont die Taufe als Weg zu einer besseren Gerechtigkeit. Zum gerechten Tun gehört auch die rechte, liebende Herzenseinstellung. Im stark ethisch motivierten Lukasevangelium steht der Aspekt der Mit-Menschlichkeit  Jesu im Vordergrund: „Als sich das ganze Volk taufen ließ, da ließ sich auch Jesus taufen“. Das verbindende Thema dieses Sonntag ist demnach die Kindschaft Gottes, die durch die Annahme Gottes mit der Taufe begründet wird. Dabei ist Jesus als Sohn Gottes der Erste von vielen. Für das Zusammenleben in unserer Welt ergibt sich daraus dann die Aufforderung zur Wahrung von Humanität und Menschenwürde: Wenn Jesus Christus in der Taufe zu unserem Bruder geworden ist, dann haben auch wir die Menschen, die Gott uns (als Glaubensgeschwister) zur Seite stellt, zu respektieren und zu achten, wie wir es selbst für uns erwarten. Wo dies geschieht, wird etwas von der Herrlichkeit Gottes sichtbar.

So selbstverständlich wir heute Menschenrechte, Toleranz und Gleichheit aller als grundlegende Forderungen der biblischen Botschaft identifizieren – zum modernen Verständnis von Menschenrechten und Humanität war es auch in der Kirche ein weiter (Lern-)Weg. Das hängt damit zusammen, dass die Ausrichtung des Rechts auf ein autonomes Individuum eine neuzeitliche Entwicklung ist, während in den alten Kulturen Rechte immer in Zughörigkeit zu bestimmten Gemeinschaften wahrgenommen werden. Allerdings lässt sich in den biblischen Texten eine Dynamik erkennen, die darauf hinausläuft, allen Menschen individuelle Freiheitsrechte zuzugestehen. Hier ist vor allem die Rede vom Menschen als Ebenbild Gottes zu nennen (1.Mose 1,46), die sich unterschiedslos auf alle bezieht. Wenn schließlich Paulus betont, in Christus gibt es nicht Mann noch Frau, weder Sklave noch Freier (Galater 3,28), hat er damit seiner Zeit und auch der kirchlichen Entwicklung weit vorausgegriffen und eine Feststellung getroffen, die sich als Leitbild erst in der Gegenwart für das Freiheitsverständnis durchgesetzt hat. Paulus selbst hat zu seiner Zeit allerdings diese Spitzenaussage in späteren Briefen (siehe 1. Korinther 11,3ff.) nicht durchgehalten. Dass er sich dabei argumentativ im Grunde widerspricht, versucht er mit umständlichen Erklärungen zu beheben. Auch darin ist er kirchlichen Lehrmeinungen weit voraus! Bis heute ist in nahezu allen  Religionsgemeinschaften eine Spannung zwischen einem radikalen Verständnis von Freiheit und Gleichheit und einem der jeweiligen Situation angepasste Einordnung des Einzelnen in eine bestimmte Gesellschaftshierarchie festzustellen.  Und in unserer Welt prägen weiterhin Herkunft, Status, Staatsangehörigkeit und Besitz die Möglichkeiten, ob und in welchem Ausmaß Menschen bestimmte Freiheiten und Lebenschancen für sich in Anspruch nehmen können.

Der 1. Sonntag in der Epiphaniaszeit wirft die Frage auf, inwiefern sich in den Lebensumständen und der Lebenskultur, die wir pflegen, etwas von der Würde und Freiheit widerspiegelt, die der Herrlichkeit Gottes entspricht. Wenn Menschen – auch in der Kirche – Benachteiligung erfahren, in ihren Rechten verletzt oder in ihrer Würde beschädigt werden, zeigt das, dass Gottes Herrlichkeit noch längst nicht auf den Boden unserer Welt durchdringt und der Himmel unter uns immer noch zu wenig Raum hat. Das Sakrament der Taufe dagegen begründet für jeden einzelnen Menschen eine neue Lebenswirklichkeit mit dem Ziel bei Gott ein besseres und erfülltes Leben zu finden.

© Oliver Behre, Zörbig  2021