2. Sonntag nach Epiphanias

Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.  (Johannes 1,16)

Das Evangelium des zweiten Sonntages in der Epiphaniaszeit erzählt von dem ersten Wunder Jesu, der wunderbaren Verwandlung von Wasser in Wein anlässlich einer Hochzeit in Kana (Johannes 2,1-11). Dieses Wunder wird nur vom Evangelisten Johannes erwähnt, nicht aber von den übrigen Evangelisten. Historisch unstrittig erscheint heute, dass sich die Bekanntheit Jesu zunächst vor allem seinen angeblichen Heilungswundern verdankt. Die Historizität der Wunder selbst ist freilich nicht verbürgt, aber die Tatsache, dass Jesus von den Menschen seiner Umgebung als Wunderheiler und religiöser Lehrer verehrt wurde, lässt sich ziemlich klar aus den überlieferten Evangelien folgern. Bereits der vorliegende Evangelientext bei Johannes lässt jedoch erkennen, dass es Jesus dabei nicht unbedingt um das Wunder selbst geht, sondern vielmehr um das, was das Wunder im Ergebnis bewirkt: Neu geschenktes Leben und Leben in Fülle! Darum sollte an diesem Sonntag das Thema nicht im wunderhaften Geschehen gesehen werden, sondern vielmehr in der Lebensfreude und dem Fest, das nun durch das Eingreifen Jesu weiter gehen kann: „Wo Gottes Herrlichkeit aufscheint, verwandelt sich das Leben in ein Fest.“ (Perikopenbuch 2018, S.96a) So gesehen folgt auf den ersten Sonntag in der Epiphaniaszeit, in dem es um die Taufe Jesu ging, ein zweiter Sonntag, in dem nun auf das Sakrament des Heilligen Abendmahles als Einladung zum Fest des Lebens mit Gott hingewiesen wird. Mancherorts wird dazu der Altar mit Brot und einer Kanne Wasser geschmückt. Und in der röm. kath. Kirche wird vielfach der Wein zur Eucharistiefeier mit Wasser verdünnt. Dies geschieht in Erinnerung an jenes erste Wunder Jesu der Weinvermehrung in Kana.

Leider vermitteln viele Gottesdienste bei uns nur wenig vom Festcharakter und der Freude, die sich einstellen, wenn Gottes Herrlichkeit aufscheint. Am ehesten ist dies wohl in den lebensfrohen Gospelgottesdiensten schwarzer ChristInnen der Fall gewesen, für die der Gottesdienst häufig der einzige Ort war, wo sie ihrem traurigen Sklavendasein entfliehen konnten. Heute scheint es einen Graben zwischen dem reichen Norden dieser Welt und den weitaus ärmeren Regionen auf der Südhalbkugel zu geben. Fröhliche und lebendige Gottesdienstfeste lassen sich eher in Afrika oder Südamerika erleben, während die meisten Menschen des reichen Nordens für sich offenbar andere Wege gefunden haben, Freude und Lebensfülle zu erlangen. Dies muss nicht verwundern, wenn man davon ausgeht, dass Religion vor allem immer dann wichtig wird, wenn das Leben unverfügbar erscheint und sich alle menschlichen Versuche, aus eigener Kraft das Leben gewinnen oder bewahren zu können, erschöpft haben. Darum wird im armen Süden das Leben mit Gott oft als Weg zu einer besseren Zukunft und Wohlstand gesehen, während die Frage nach Gott in Gesellschaften mit einem hohen Lebens- und Gesundheitsstandard sich eher im Blick auf das stellt, was danach kommt, wenn Menschen ihr Leben in dieser Welt gelebt haben, und was zählt, wenn die Verheißungen des Konsums ihren Glanz verloren haben.

So stellt uns der zweite Sonntag der Epiphaniaszeit die Frage nach dem, worin wir unser Glück und unsere Erfüllung suchen oder meinen, finden zu wollen. Und nach dem, was sich letztlich als wahrhaftes Glück im Leben erweisen wird. In Kana war es damals diese Hochzeit, bei der der Wein ausging. Die Verwandlung von Wasser zu Wein ließ nicht nur das Fest weitergehen und bewahrte die Hochzeitsfamilie vor einer Blamage, sie zeigt auch, dass Gott kein Spaßverderber ist und Christsein etwas fröhliches sein soll.

© Oliver Behre, Zörbig  2021