Foto: André Kehrer

Kirche braucht ein Wunder

 

St. Mauritius wird für die Zörbiger Gemeinde zu groß. Für den Ausbau zum Veranstaltungsort fehlt das Geld. Mehr als eine halbe Million Euro fließen nicht.

VON ULF ROSTALSKY

 

 

ZÖRBIG/MZ – Der Traum von der Kirche 2.0 ist in Zörbig ausgeträumt. „Leider sind wir die Enttäuschten. Andere werden sich freuen, weil sie Fördergeld bekommen haben“, sagt Wilfried Ilse. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Gemeindekirchenrates und hatte Großes im Sinn mit der evangelischen Stadtkirche „St. Mauritius“. 

Kühne Ideen und kein Geld 

Im Amtsdeutsch ging es um die „kulturelle Nutzungserweiterung der Kirche Zörbig“. Im Klartext steht die Zukunft des altehrwürdigen Gotteshauses auf dem Spiel. Das soll Kirche und Veranstaltungsstätte werden. Am Ende ging es aber vor allen Dingen um Geld, das jetzt nicht kommen wird. Eine offizielle Zahl gibt es nicht. Nach MZ-Informationen sollten jedoch wenigstens eine halbe Million Euro an EU-Mitteln nach Zörbig fließen. Die Kirchengemeinde hatte in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Leader-Management auf Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gesetzt. „Wir wussten  dass die beantragte Summe die Möglichkeiten in der Region Anhalt sprengen würde. Aber wir hatten auch Kenntnis, dass in anderen Teilen des Landes Geld nicht abgerufen worden war“, erklärt Leader-Managerin Kerstin Adam-Staron. Es hat nicht sollen sein. Zörbig bekommt in der bis 2022 laufenden Förderperiode gar kein Geld. Und danach? „Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken“, betont Wilfried Ilse und sagt, dass man weiter nach Möglichkeiten für die Finanzierung der Kirchenumnutzung suchen werde. Aber auch suchen müsse. Denn für die Kirchengemeinde allein ist „St. Mauritius“ schlicht und einfach zu groß. Sie öffnet schon jetzt Tür und Tor, ist Gastgeber für Konzerte und wird von der Sekundarschule für Schuljahresabschlüsse und Zeugnisübergaben genutzt. Das soll so bleiben und in Zukunft sogar ausgebaut werden. „Meine Unterstützung hat das Vorhaben“, erklärt Zörbigs Bürgermeister Matthias Egert (CDU). Er bricht eine Lanze für die Kirche, die eben nicht allein ein Ort des Glaubens sei. „Es ist ein Ort mit Geschichte, der erhalten werden muss.“

Erste Erwähnung um 1200

Die Kirche hat ihrer Ursprünge in der Zeit um das Jahr 1200. 1537 bis 1541 wurde sie nach einem Brand wieder aufgebaut. 1882 gab es die letzte große Erweiterung. „St. Mauritius“ ist nicht zu übersehen. Dass der Zahn der Zeit am Gemäuer nagt, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Es gibt viel zu tun am Haus. „Für Konzerte und Veranstaltungen sind zumindest Toiletten und eine Heizungsanlage nötig“, bestätigt Matthias Egert und kündigt an, dass sich die Stadt mit einbringe, wenn es um die Zukunft der Kirche gehe. „Wir werden nach Möglichkeiten der Finanzierung suchen. Alles liegt doch auch in unserem Interesse“, so der Rathauschef. In der Kirchengemeinde versucht man, der Schlappe in Sachen Fördermittel auch eine gute Seite abzugewinnen. Wenn es bis 2022 nicht funktioniere, könne es in der neuen Förderperiode vielleicht etwas werden, meint Wilfried Ilse und setzt auf Ideenreichtum und Gestaltungswillen eines neues Pfarrers. Die Zörbiger Pfarrstelle ist derzeit vakant und wird von Mechthild Latzel vertreten. „Die Ausschreibung läuft. Es ist vielleicht gut, dass der neue Pfarrer oder die neue Pfarrerin kein fertiges Produkt vorgesetzt bekommt“, sagt Ilse.

 


Ulf Rostalsky

 

KOMMENTAR: 

Ein schweres Kreuz

 

Eine Gemeinde, eine Kirche: Die Rechnung ging so lange auf, wie es eine große Zahl an bekennenden Christen gab. Die Zeiten sind vorbei. Der Kirche gehen die Menschen aus. Das ist kein Geheimnis. Das ist aber vor allen Dingen ein Problem – ein innerkirchliches Problem zunächst. Die Kirche muss sich wandeln. Es geht um den Glauben. Aber es geht auch um Kultur und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Kirchen sind stadtbildprägende Gebäude und geschichtsträchtige Orte, die erhalten werden sollten. Die Kirche im wahrsten Sinn des Wortes im Dorf zu lassen, fordert alle, braucht Ideenreichtum. Glaube hin, Glaube her: Kirchen Zukunft geben, geht nur zusammen. Das Beispiel Zörbig liefert den Beweis.

›› ulf.rostalsky@dumont.de