Fastnachts- oder Vorfastenzeit (3. Februar bis Aschermittwoch)

Nach dem Lichtmessfest (2. Februar) beginnt ein neuer Abschnitt im Kirchenjahr. Der Weihnachtsfestkreis vom 1. Advent an ist nun beendet. Dieser kann auf die trinitarische Person Gottes als himmlischer Vater bezogen werden, die in ihm offenbart wird.  Mit dem Beginn der Fastnachts- oder Vorfastenzeit beginnt nun der Osterfestkreis, der auf die Person des Gottessohnes, Jesus Christus, bezogen werden kann. Nun geht es vornehmlich um Leben, Sterben sowie  Auferstehen Jesu in dieser Welt und dessen Himmelfahrt. Er beginnt ebenfalls mit einer Fastenzeit und einer Übergangszeit bis zum Beginn der Passionszeit am Aschermittwoch. 

Bezugspunkt für die kirchenjahreszeitliche Terminierung der Zeit zwischen Epiphanias bis Ostern ist der konkrete Termin des Osterfestes. Der Ostersonntag fällt dabei immer auf den Sonntag, der dem ersten Vollmond nach der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr (21. März) folgt. Ostern kann also frühestens am 22. März oder spätestens am 25. April gefeiert werden. Der Zeitraum von 40 Tagen war dabei zur Vorbereitung als Fastenzeit (Passionszeit) vorgesehen. Damit war Dienstag nach dem Sonntag Invokavit der Beginn der ursprünglichen Fastenzeit („Bauernfastnacht“). Allerdings hat die Synode von Benevent im Jahr 1091 entschieden, die Sonntage in der Fastenzeit davon auszunehmen, so dass es dann – um weiterhin 40 Fastentage zu gewährleisten – zu einer Vorverlegung des Beginns der vorösterlichen Fastenzeit (Passionszeit) auf Aschermittwoch, den Mittwoch vor dem Sonntag Invokavit, kam („Herrenfastnacht“). Noch heute wird die Fastnacht in einigen Städten und Regionen der Schweiz zum älteren Termin der „Bauernfastnacht“ gefeiert, so etwa in Basel. 

Mit der Einführung der gottesdienstlichen Texte und Lieder in der Revision der EKD von 2018 wurde auch eine Veränderung im Ablauf des Kirchenjahres vorgenommen. Je nach Datum des Osterfestes schwankt die Anzahl der Sonntage im Zeitraum zwischen dem Epiphaniasfest bis zum Aschermittwoch zwischen 5 und 9 Sonntagen, denn die Sonntage der Passionszeit von Aschermittwoch bis Ostern sind auf 6 festgelegt. Da bis 2018 auch die Anzahl der Sonntage in der Fastnachts- oder Vorfastenzeit auf 3 (Septuagesimae, Sexagesimae und Estomihi) festgelegt war, war die Epiphaniaszeit instabil und konnte zwischen 2 bis 6 Sonntage betragen. Da die Epiphaniaszeit im Gegensatz zur Fastnachts- oder Vorfastenzeit als eine stärker geprägte Zeit im Kirchenjahr angesehen (Thema: Herrlichkeit Gottes) wurde, ist sie seit 2018 auf den Zeitraum vom 6./7. Januar bis zum 2. Februar festgelegt worden, so dass nunmehr die Fastnachts- oder Vorfastenzeit in ihrer Länge instabil geworden ist. Diese kann nun zwischen nur 1 – 5 Sonntagen betragen. Dabei schlage ich für den seltenen Fall von 5 Sonntagen in diesem Zeitraum vor, den 4. Sonntag vor Beginn der Fastenzeit generell herauszunehmen und ihn als 4. Sonntag der Epiphaniaszeit einzufügen und die Epiphaniaszeit dann bis zu dem – nunmehr nach dem 2. Februar liegenden – letzten Sonntag nach Epiphanias zu verlängern. (siehe „Epiphanias und Epiphaniaszeit“).

Die Stabilisierung der Epiphaniaszeit bis zum 2. Februar kann freilich in seltenen Fällen zu einer Kollision mit der Karnevalszeit führen, denn der 2. Februar ist auch der frühestmögliche Termin des Rosenmontages. Dies war zuletzt im Jahr  1818 der Fall und wird 2285 wieder der Fall sein.  In solchen Fällen kommt es dann zu einem nahtlosen Übergang der Epiphaniaszeit in die Fastnachtszeit mit dem Beginn des Straßenkarnevals am Donnerstag vor Estomihi (Weiberfastnacht).

Ob die Übergangszeit zwischen Epiphanias und dem Beginn der Passionszeit als Fastnachts- oder Vorfastenzeit begangen wird, ist eine Frage der regionalen Prägung und der persönlichen Mentalität. Die Fastnacht bzw. der Karneval mit seinem Brauchtum ist ursprünglich kein Bestandteil des christlichen Festkalenders, hat sich aber daraus eigenständig entwickelt und wird heute zum Teil auch im kirchlichen – vor allem katholischen – Bereich gefeiert. Dabei hat Fastnacht/Karneval viele verschiedene Ursprünge, die in der alemannischen Fassnacht bis in vorchristliche Bräuche zurückreichen, teilweise im Mittelalter als Reaktion auf die bevorstehende Fastenzeit ausgeprägt wurden und teilweise gesellschaftspolitische Ursachen im 19. Jahrhundert haben. Damit zeichnet sich Fastnacht/Karneval durch eine Pluralität vieler verschiedener kultureller Traditionen aus, die regional lebendig weiterentwickelt werden. Übrigens gilt dasselbe auch für religiöse Tradition und Brauchtum, nur bewirken hier institutionelle Faktoren (Kirche) eine stärkere Angleichung und Vereinheitlichung religiöser Dogmen und liturgischer Vollzüge.  

Die Fastnachts- oder Vorfastenzeit wird gegenwärtig als eine thematisch ungeprägte Zeit angesehen. Doch man kann durchaus diese Zeit im Kontext von Fastnacht/Karneval mit dem Thema der menschlichen Unzulänglichkeit in Verbindung setzen. Es geht in ihr dann um die fehlende Bereitschaft im Sinne Gottes zu handeln (Vierter Sonntag vor der Passionszeit), um das fehlende Verständnis für andere und ihre Lebenssituation (Sonntag Septuagesimae), um Verschlossenheit und Gleichgültigkeit gegenüber dem Wort Gottes (Sonntag Sexagesimae) und um die fehlende Bereitschaft, Jesus auf dem Leidensweg zu folgen (Sonntag Estomihi). So gesehen halten uns die Sonntage der Fastnachts- oder Vorfastenzeit einen heilsamen Spiegel vor, bei dem es allerdings nicht darum geht, die eigene Unzulänglichkeit durch moralische Anstrengung zu überwinden, sondern vielmehr die eigene Verstrickung in die Sünde zu erkennen und hier barmherzig mit sich und anderen umzugehen, um so dem fundamentalistischen Missverständnis zu wehren, man könne aus eigener Kraft sich selbst oder mit Gewalt gegen andere die Welt verbessern. Den christlichen Glauben verbindet mit Fastnacht/Karneval die Einsicht, dass Menschen sich selbst nicht zu wichtig nehmen dürfen, wenn die Welt von ihren Sünden und Unzulänglichkeiten geheilt werden soll. Menschen müssen nicht vollkommen sein, weil dieser Anspruch dazu führt, wie Gott sein zu wollen, und somit erst recht einen Rückfall in die Ursünde der Menschheit darstellt. 

Meteorologisch lässt uns die Fastnachts- oder Vorfastenzeit bereits das Ende des Winters und den Anbruch des Frühjahres erahnen. Dabei bleibt unklar, ob die Kälte des Winters mit Schnee weiterhin dominiert oder sich bereits die milden Temperaturen des Frühjahres zeigen. Alles ist möglich! 

Die Fastnachtszeit lädt zur ausgelassenen Freude ein. Dabei dürfen auch schon einmal geltende Gewohnheiten, gute Vorsätze oder übliche Einschränkungen übertreten werden, etwa beim Konsum von Speisen und Getränken. 

Im Gegensatz zur Fastenzeit bestehen keine Einschränkungen beim Genuss von Speisen und Getränken. Früher wurde all das verbraucht, dessen Verzehr in der Fastenzeit untersagt war (Fleisch, Eier, Milch und Schmalz/Fett). Typisches Fastnachtsgebäck ist Schmalzgebäck mit Füllung (Kräppel/Berliner). 

© Pfr. Oliver Behre, Zörbig  2021