Hamburg: Kirche in Blankenese, Gemeindegesang zur Orgel, Str. 2: virtuose Solisten, Aufzeichnung ZDF

 

„All Morgen ist ganz frisch und neu“ (EG 440) 

Zugegeben: Die Wahl fiel mir angesichts vieler Lieblingslieder in diesem Be-reich nicht leicht. Fast jedes Lied hat im Jahreslauf seine Zeit, das ausgewählte kann in vielerlei Hinsicht als zeitlos gelten. 1927 wiederentdeckt und mit „neuer“ Melodie – von Johann Walter aus 1541 – versehen, kam das Morgenlied ganz groß raus und ist seitdem immer in unserem Gesangbuch vertreten gewesen. Ursprünglich sollte es mal Luthers „Vom Himmel hoch“ singbar machen, der aber seine eigene bekannte Weise durchsetzte… 

Vom höchsten bis zum Grundton der damals „ionisch“ genannten C-Dur-Tonleiter verläuft die Melodie, dabei immer wieder Anlauf nehmend und zu unterschiedlichen Teilschlüssen kommend, an einer Stelle gar gegen den Grundrhythmus „in Halben“ ankämpfend, was Wachheit beim Musizieren verlangt oder zu eben dieser führt. So erging es auch mir, als ich das Lied 1980 auf meiner 1. Flötenrüstzeit in Paplitz durch C. Schlemmer kennenlernte. Seither begleitete es mich als Ohrwurm schon zu unterschiedlichsten Anlässen: Sei es zum Einsingen vor Musikprüfungen, zum Munterwerden unter der Dusche, zum Durchhalten beim Joggen und Fahrrad-Bergan-Fahren, während des Barfußlaufens über taufrisches Gras oder ganz entspannt beim Gemeindegesang im Gottesdienst. 

Die ursprünglichen 8 Strophen der Verkündigung und des Gebets dichtete Johannes Zwick, ein Zeitgenosse Luthers, der im süddeutschen und Schweizer Raum maßgeblich an der friedlichen Verbreitung der Reformation beteiligt war und in Zeiten der Pest im ausgehenden Mittelalter einer 3. Welle schließlich bereits in jungen Jahren erlegen war. Sein Gottvertrauen verlor er zu keiner Zeit. 

Mir ist der Choral mit seinem antidepressiv-schwungvollen Bekenntnis oft zum Tages- und ein Stück weit auch zum Lebensmotto geworden. Er zieht mich heraus aus meinem „täglichen Hamsterrad“. Im Vertrauen auf Gottes Gnade gewinne ich die Gelassenheit, mir überschaubare Tagesziele zu setzen. Jeder Morgen bietet Gelegenheit, mit Gott neu zu beginnen. Das schließt die entlastende Erkenntnis ein, dass vieles gelingen kann, aber nicht alles gelingen muss. Wenn der Glaube bleibt, trägt uns Gott, egal was kommt und wir nicht in der Hand haben. 

Bernd Birkhold 

 

Hören und schauen Sie sich auch gerne weitere Interpretationen des Stückes an:

Studiochor Bergneustadt feat. Carola Rink  ©2010 GerthMedien 

Detlef Korsen + Gitarre 

David Menge + Orgel / Text zum Mitlesen auf Naturbildern 

Ev. Kirchengemeinde Burgsteinfurt + Orgel / Text zum Mitlesen auf Naturbildern